Berlin im Jahr 2100: W�hrend die Stra�en der Stadt in dichtem Smog versinken, macht sich auf den D�chern der Hochh�user, ganz nah an den Wolken, der Underground breit. Gefl�chtete und Menschen ohne Ausweis wie Aruke leben hier auf gr�nen Inseln und versuchen, sich mithilfe von 3-D-Druck, Nanotechnologie und Biohacking durchzuschlagen.
Aruke, die ihren K�rper so modifiziert hat, dass er zwei Meter hoch und mit unnat�rlich gro�en Muskeln bepackt ist, h�tet jedoch ein Geheimnis, das sie selbst vor ihren engsten Freund*innen verborgen h�lt. Als eines Tages die ber�hmte Riva Lux in der Universit�t auftreten soll, sieht Aruke ihre Chance gekommen, sich endlich ihrer Vergangenheit zu stellen. Ihre Erinnerungen f�hren sie zur�ck in einen synthetischen Dschungel, in dem seltsame Experimente durchgef�hrt wurden..
Genre-Traditionen und queere Au�enseiter*innen
Aiki Miras dritter Roman spielt in derselben Welt wie der Vorg�nger "Neongrau. Game Over im Neurosubstrat", der 2022 mit dem Kurd-La�witz-Preis ausgezeichnet wurde. W�hrend "Neongrau" typischen Cyberpunk bot und zwischen Hamburger Slums, VR-Welten und Drogentrips angesiedelt war, erkundet Mira mit "Neurobiest" (Amazon-Affiliate-Link ) nun das Biopunk-Genre. Es werden K�rper gehackt, Gehirne umprogrammiert und neue Lebensformen erschaffen � immer schwingen dabei gro�e Fragen mit: Was trennt Mensch und Tier? Was ist das, was wir Natur nennen? Und wo verl�uft die Grenze zwischen Individuum und Kollektiv?
Auf den Spuren von Klassikern wie "Die Insel des Dr. Moreau" � aber auch von neueren Werken wie Jeff Vandermeers "Ausl�schung" oder Dietmar Daths "Die Abschaffung der Arten" � kreiert Mira eine oftmals beunruhigende und verst�rende Zukunftsvision. Bizarre Tierwesen werden da im Operationssaal zusammengef�gt, riesige Organe durchschritten und das ein oder andere mysteri�se Ei gelegt.
Zugleich ist vieles aber bereits aus Miras anderen Romanen und Kurzgeschichten bekannt: Da sind etwa die queeren Au�enseiter*innen, die sich zu einer Ersatzfamilie zusammentun, die ganz beil�ufig eingeflochtenen Neopronomen und nat�rlich Miras von Metaphern und Vergleichen nur so �bersch�umende Sprache.
Zwischen Essay, Anime und Kitsch
"Neurobiest" ist am 1. Oktober 2023 im Eridanus Verlag erschienen
Neben der mit gro�er Selbstverst�ndlichkeit dargestellten Queerness und der emotionalen Sprache sind es vor allem die vielen Ideen, die "Neurobiest" ausmachen: Das liest sich mal wie ein philosophischer Essay, macht mal auf knalligen Anime und will dann im Gewand der Science-Fiction Sozialkritik �ben. "Neurobiest" ist ein interessantes Buch, das viel will. Aber ist es auch ein guter Roman?
Ich bin da wie beim Vorg�nger zwiegespalten. Zum einen war ich ein wenig von der Sprache entt�uscht, die eigentlich zu Miras St�rken z�hlt. Auch in "Neurobiest" gibt es diese wunderbaren, eigensinnigen Bilder, wenn die Stadt etwa unter sch�umendem Smog flie�t oder eine ekstatische Party zwischen eiscremefarbenen Wolken gefeiert wird. Dass die Metaphern nicht immer ganz schl�ssig sind und zum Pathos neigen, kann man verzeihen. In "Neurobiest" landet Mira jedoch mit all den knatternden, flatternden Herzen, den erhitzten Unterleibern, vereisten Brustk�rben und zahlreich vergossenen Tr�nen immer wieder im Kitsch.
Infodumping oder Ideenroman?
St�rend empfand ich au�erdem den fehlenden Fokus: Wegen der kurzatmigen Kapitel, der Zeitspr�nge und Perspektivwechsel f�llt es schwer, sich mit den Figuren zu identifizieren, in die Welt einzutauchen oder auch nur etwas l�nger bei einem Gedanken zu verweilen. Die abrupten Spr�nge von Kopf zu Kopf sind zwar eine bewusst gew�hlte Methode, meiner Meinung nach scheitert sie aber an der Umsetzung: Statt viele Stimmen gleichberechtigt h�rbar zu machen, verschmelzen die Held*innen zu einem wirren Chor, in dem alle, egal ob traumatisiertes Teenagerm�dchen oder renommierte Wissenschaftlerin, letztlich denselben Sound haben.
In einem schrecklichen Moment der Entfremdung nimmt die Heldin Aruke ihre Mitmenschen einmal nur noch als hohle K�rper wahr. Als solche leeren H�llen erscheinen leider auch die Romanfiguren, die oft unmotiviert mechanisch und wie Sprachrohre agieren. In den Dialogen erkl�ren sie einander immer wieder ausschweifend die Welt, wissenschaftliche Erkenntnisse oder die eigenen Gef�hlslagen. Auch die Erz�hlstimme berichtet eher, als dass sie sie zeigt, und tr�gt so zum Infodumping bei.
Vielleicht muss man "Neurobiest" aber auch als Ideenroman begreifen, in dem Thesen und Gedanken mehr z�hlen als Worldbuilding und Figurenzeichnung. Es wird auf zahlreiche aktuelle Fragen und Diskurse referiert und zum Nachdenken �ber unseren Umgang mit Natur und Lebewesen angeregt � und damit leistet Mira auf ganz eigene Art etwas Besonderes.
Infos zum Buch
Aiki Mira: Neurobiest. Roman. 338 Seiten. Eridanus Verlag. Bremen 2023.Taschenbuch: 16 � (ISBN 978-3-94634839-9). E-Book: 5,99 �
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Author: Kyle Green
Last Updated: 1698835682
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Name: Kyle Green
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